Das Loblied des Müßigganges
„Es gibt nichts Gutes, es sei denn man tut es!“
Kennen auch Sie diese Spruchweisheit?
Diese weisen Sprüche haben ihre Vorteile, doch sie haben ebenso gravierende Nachteile.
Viele Traumata meiner Psychotherapie- Klienten rühren nicht zuletzt von solchen Sprüchen, mit denen sie geimpft und „auf Leistung getrimmt“ wurden.
Es ist offenbar, dass wir in einer Leistungsgesellschaft leben, in welcher jedes Höher, Schneller, Tiefer, Weiter und Mehr zählt. Schauen wir einmal um uns, wer denn gesellschaftlich eher Anerkennung und Wertschätzung erfährt: derjenige, der weise mit seinen Körperenergien haushaltet, oder derjenige, der immer wieder seine eigenen Grenzen überschreitet?
Zumeist ist es letzterer, der das Schulterklopfen erntet:
„Mensch, wie Du das immer wieder hinkriegst, dabei hast Du doch so viel um die Ohren!“ lautet es aus aller Munde. So ist unser Alltagsbewusstsein oft geprägt von diesen Sprüchen, die - einst vielleicht in weiser Absicht übernommen - sich längst zu topdogs (Begriff der Gestalttherapie= ÜberIch-Ansprüche) degeneriert und eingenistet haben:
“Was Du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen!“
“Morgen, morgen, nur nicht heute, sagen alle faulen Leute!“
„Was Hänsschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr!“
“Müßiggang ist aller Laster Anfang!“
Erlauben Sie mir, liebe/r Leser/in, an dieser Stelle einmal mehr gegen den Strom zu schwimmen und hier ein Loblied an den Müßiggang anzustimmen:
Ist nicht der Müßiggang der Hermes des Geistes und im Grunde genommen der Vater des Fortschritts?
Selbst Friedrich Hegel sagte einst: „Man sollte das Studium des Müßigganges nicht so sträflich vernachlässigen, sondern es zur Kunst und Wissenschaft, ja zur Religion bilden.“
All jene Menschen, die man später als Genies erkannte, sie alle fanden ihre besten Ideen in der schöpferischen Pause.
Gewinne ich Zeit, wenn ich ein Düsenflugzeug besteige?
Doch ebenso, wenn ich mich auf eine duftende Waldwiese lege!
Sollte nicht jeder hier und da ein Diogenes sein und zu (s)einem Alexander dem Großen sagen können:
„Geh mir aus der Sonne!“?
Kurt Hasenberg sagte einst so treffend. „Der Freilauf schenkt dem Radfahrer die größte Lust!“
Müßiggang ist nichts anderes als Freilauf und man kommt von der Stelle, auch ohne zu treten.
Auch Lessing schrieb einst ein Gedicht mit dem Titel „Faul zu sein - sei meine Pflicht“.
Im letzten Vers heisst es markant: “...lasst uns faul zu allen Sachen, nur nicht faul zu Lieb und Wein, nur nicht faul zur Faulheit sein!“
Mögen Sie noch ein Zitat? Diesmal von Palmström:
“Faulheit ist ein Atemholen dann geht alles wieder glatt. Der hält sich dem Glück empfohlen, der den längsten Atem hat.“
Und zu guter letzt einen Vers meines Leibdichters und Geschichtenerzählers Wilhelm Busch:
“Lass ihn im Galoppe hallen,
reite ruhig Deinen Trab.
Ein zu ungestümes Wollen
wirft von selbst den Reiter ab!“